KOSOVO: GEGEN DAS VERGESSEN:

DER BRÜSSELER APPELL


Im Frühling 1999 war Brüssel, als Sitz des NATO-Hauptquartiers, Zentrum
der militärischen Planung und Ausführung der Bombenangriffe auf
Jugoslawien durch die Mitgliedstaaten dieser Organisation, geschehen im
Namen des humanitären Völkerrechts. Als aktive oder ehemalige Lehrkräfte
auf dem Gebiet der Rechtswissenschaften glauben wir, dass der 1.
Jahrestag
eines derart gravierenden Vorfalls nicht unerwähnt verstreichen sollte.
Im
Gegenteil, jeder Bürger sollte vielmehr ernsthaft über die ganze
Tragweite
nach denken.

Der Krieg wurde entgegen den wichtigsten Prinzipien des internationalen
Rechts geplant, entschieden und ausgeführt.

Der Einsatz der NATO folgte auf das Scheitern der
Rambouillet-Verhandlungen. Dabei hatten diese Verhandlungen bereits
ernste
Fortschritte im Hinblick auf politische Fragen im Zusammenhang mit dem
Konflikt erzielt, bevor in letzter Minute auf den Tisch geb rachte
Verhandlungspunkte, die offensichtlich für die serbische Seite
unannehmbar
waren, in eine Sackgasse und demgemäss zum Krieg führten.

Das Auslösen dieses Konflikts war zweifelsohne eine Verletzung der
Charta
der Vereinten Nationen, die den Rückgriff auf Gewalt nur ausnahmsweise
im
Fall der Selbstverteidigung oder bei Genehmigung durch den
Weltsicherheitsrat vorsieht. Im vorliegenden Fal l waren diese
Voraussetzungen nicht gegeben.

Außerdem steht die Art und Weise, in der die Bombenangriffe ausgeführt
wurden, im Gegensatz zu den Bestimmungen des internationalen Rechts, die
den Verlauf der Feindseligkeiten regeln. Im Allgemeinen ist die
systematische Zerstörung der wirtschaftlichen I nfrastruktur und der
Kommunikationsmittel, absichtlich dazu bestimmt, die Bevölkerung zu
entmutigen und deren Aufstand anzuzetteln, nicht mit den humanitären
Grundsätzen zu vereinbaren, auf die man sich berufen hatte, um diese
Maßnahmen zu rechtfertigen.

Allerdings möchten wir auf unmissverständliche Weise betonen, dass
unsere
uneingeschränkte Verurteilung der militärischen Aktionen seitens der
NATO
in keiner Weise eine Unterstützung oder Nachsicht gegenüber der
politischen Führung in Belgrad und des von ihr gewählten Weges zur
Lösung
der ethnischen Fragen bedeutet. Zugleich ist unsere immer noch aktuelle
Missbilligung der ohne jede rechtliche Grundlage fortdauernden
Bombardierung Iraks und des gegenüber diesem Land verhängten Embargos,
keinesfalls als Zu stimmung gegenüber dem Regime in Bagdad zu deuten.

Die Kriegsstrategie, die zur Verwüstung Jugoslawiens führte und die
Lebensfähigkeit des Kosovos zunichte machte, hat mehr Flüchtlinge und
Opfer als jede andere konzertierte Aktion in Form politischen Drucks und
diplomatischer Schritte erzeugt. Sie ist zu verurteilen, und zwar sowohl
in politischer als auch in moralischer Hinsicht. Sie wurde außerdem
begleitet durch eine Medienkampagne, die darauf zielte, die laufende
Aggression systematisch zu rechtfertigen.

Die nach dem Ende der Bombenangriffe getroffenen Regelungen neigen dazu,
die internationale Hilfe vom Ausgang der Wahlen in Jugoslawien und
darüber
hinaus von der politischen Gesinnung derjenigen, welche die Hilfe
erhalten, abhängig zu machen. Dies ist je doch kein probates Mittel zur
politischen Einmischung in die internen Angelegenheiten eines souveränen
Staates. Seinerseits ist der Kosovo unter der, nach der Nato-Aggression
eingesetzten Verwaltung, eine quasi mono-ethnische Region geworden, in
der
nicht -albanische Minderheiten - ob nun Serben, Sinti, Slawen, Muslime,
Juden, Türken oder Kroaten - vor den Attentaten fliehen oder in
Flüchtlingslagern Schutz suchen mussten.

Wir möchten ebenfalls die Tatsache unterstreichen, dass dem in
Jugoslawien
geführten Krieg eine globale Bedeutung zukommt, die sich nicht auf
dieses
Land begrenzen lässt. Die Intervention der NATO im Kosovo, unter der
Führung der Vereinigten Staaten von A merika, reiht sich in eine ganze
Serie von Entscheidungen dieser nunmehr allein verbliebenen Supermacht
ein. Der Gigantismus des US-Verteidigungsetats, die Entscheidung der
Aufrechterhaltung der NATO trotz der Auflösung des Warschauer Paktes und
des Endes
der UDSSR einerseits, und die ihrer Ausweitung auf Osteuropa
andererseits, die Weigerung, den Vertrag zum nuklearen Teststopp zu
ratifizieren, die Entwicklung von Raketenabwehrsystemen und die
kürzliche
Offenbarung hinsichtlich des Vorhandenseins eines w eltweiten Systems
zum
Abhören der privaten und offiziellen Kommunikationen, dies alles sind
die
markantesten Aspekte einer neuen, von Washington praktizierten Form der
Machtausübung, deren alleinige Legitimität darin bestehen soll, immer
leistungsfähigere
Vergeltungswaffen zu besitzen und zu benutzen.

Deshalb rufen wir all diejenigen auf, die diese Befürchtungen teilen und
die es ablehnen, Bomben als Alternative zum internationalen Recht, zu
Verhandlungen, zum demokratischen Dialog hinnehmen zu wollen, diesen
Appell zu unterzeichnen und ihn, überall in
der Welt, als Instrument des moralischen Widerstands gegen die neue,
sich
anbahnende "Weltordnung" zu verwenden.


Erste Unterzeichner:

Olivier CORTEN, Professor, Zentrum für Internationales Recht, Freie
Universität Brüssel (ULB); Eric DAVID, Professor der ULB; Barbara
DELCOURT, Mitglied des Instituts für europäische Studien, Professor der
ULB; François HOUTART, Prof. Emer. der Katholisch
en Universität Löwen (KUL); Pierre KLEIN, Professor der ULB; Paulette
PIERSON-MATHY, Professor der ULB; François RIGAUX, Prof. Emer. der UCL,
ehemaliger Dekan der Fakultät f. Rechtswissenschaften; Yves ROGISTER,
Forschungsbeauftragter, CADOP, Universität
Lüttich; Jean SALMON, Prof. Emer. der ULB; Eric SUY, Prof. Emer. der
KUL, ehemaliger Vize-Generalsekretär der Vereinten Nationen.

Die Beitrittserklärungen können an folgende Adressen gerichtet werden:

François Houtart, CETRI
5, Av. Sainte Gertrude
B-1348 LOUVAIN LA NEUVE

per E-Mail : action-kosovo@...
per Fax : 32 (0) 10-45083152

Spendenkonto: CETRI, Kontonummer 068-0602320-74, Stichwort: Brüsseler
Appell.




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