Abgereicherte Glaubwürdigkeit der NATO

(von Rainer Rupp)

Ranghohe Militärärzte der NATO haben am Montag in Brüssel über mögliche
Gesundheitsgefahren durch uranhaltige Munition beraten. Am Dienstag
tagte
im NATO-Hauptquartier der Politische Ausschuss der Allianz. Während
die
NATO gemeinsam mit Verteidigungsminister Sharping weiterhin abwiegelt,
und
die Gefahrlosigkeit der DU-Munition beschwört, hat Marlise Simons von
der
New York Times die Existenz eines US-Dokuments aufgedeckt, das das
Gegenteil
beweis. Das als "hazardous awareness document“ bezeichnete
Papier, das der
amerikanische Generalstab (U.S. Joint Chiefs of Staff) mit Datum vom 1.
Juli
1999 an alle NATO-Alliierten geschickt hatte, warnte ausdrücklich vor
den
Gefahren, die von verschossener, abgereicherter Uranmunition und von dem
getroffenen Ziel und dessen Umgebung ausgehen. Deshalb müsste unbedingt
bei
Annäherung entsprechende Schutzkleidung und Masken getragen werden.
(William
Pfaff. IHT, 13.01.01.)

Auch die britische Presse grub in den letzten Tagen eine Warnung des
britischen Verteidigungsministeriums aus dem Jahre 1997 aus, das
ausdrücklich vor den Gefahren beim Umgang mit DU-Munition warnte. Und
die
„junge Welt“ hatte letzte Woche berichtet, dass auch das
Bundesministerium
für Verteidigung in Berlin von den Gefahren gewusst haben muss, denn
Staatssekretär Peter Wichert hatte eine NATO-Anweisung weiter geleitet,
die
auf die <möglichen toxischen Gefahren> im Kriegsgebiet hinwies, die von
der
verschossenen DU-Munition ausging. Aber der gleiche Vermerk hielt fest,
dass <die Nato zur Zeit keine Pläne zur Entseuchung hat>.“

Die britische “Times” veröffentlichte letzten Montag Auszüge
aus einem
Bericht der Atomic Energy Agency, der ebenfalls keine Zweifel an der
Gefährlichkeit der DU-Munition lässt: “Der Umgang mit Munition
aus
Schwermetallen beinhaltet etliche potentielle Gefahrenelemente. Das
gilt
ebenso für die Möglichkeit einer radioaktiven oder toxischen
Verseuchung,
die infolge eines Beschusses (mit DU-Munition, Anm. RR) als Resultat
eintreten kann. Bei unsachgemäßem Umgang kann das zur langfristigen
Gesundheitsschädigung führen und sowohl für das Militär als auch für die
Zivilbevölkerung ein Risiko darstellen.” Weiter führt der Bericht
aus, dass
Amerikaner und Briten im Golfkrieg etwa 25 Tonnen DU verschossen haben.

Wenn diese Menge DU eingeatmet werden würde, dann würde das genügen, um
500.000 Menschen umzubringen“, heißt es in dem Bericht, der
hinzufügte, dass
„diese offensichtlich theoretische Zahl zwar nicht realistisch
ist, sie aber
trotzdem die Größenordnung des Problems andeutet.“ (“Nuclear
adviser issued
shells alert”, BY MICHAEL EVANS, DEFENCE EDITOR The Times, MONDAY
JANUARY 15
2001)

Letzte Woche kamen drei portugiesische Minister in Kosovo, um sich
persönlich um die Untersuchungen zu kümmern, nachdem es während einer
Parlamentsdebatte in Lisabon um erkrankte portugiesische Soldaten und
DU-Munition im Balkan zu tumultartigen Debatten gekommen war.
Anschließend
ordnete Premierminister Antonio Guterres eine unabhängige Untersuchung
an,
die er damit begründete, dass er “nicht länger den Versicherungen
der NATO
glauben“ würde. (“Mines, not "Balkan Syndrome" worry
Portugal troops”, By
Martin Roberts, SANTA MARGARIDA, Portugal, Jan 9.01, Reuters)

Was dem portugiesischen Premierminister recht ist, ist Hunderten von
norwegischen Soldaten billig. Auch sie trauen längst nicht mehr der
stark
abgereicherten Glaubwürdigkeit der NATO. Bereits letzte Woche weigerten
sich etwa 400 norwegische Soldaten des Elite Battallions Telemark, die
für
die Entsendung zur sogenannten NATO-„Friedenstruppe“ im
Kosovo notwenigen
Verträge zu unterzeichnen. Statt dessen verlangten sie Erklärungen über
die
von DU-Munition ausgehenden Gesundheitsgefahren, zumal in der Woche
zuvor
bekannt worden war, dass auch zwei ehemalige norwegische Soldaten nach
ihrem
Einsatz in Bosnien an Krebs erkrankt sind. (“Norwegian soldiers
refuse to
serve within the forces in Yugoslavia”, January 09,
2001Oslo,Tanjug-AP)

Auch den griechischen K-FOR Soldaten wird der Boden in Bosnien
anscheinen zu
heiß. Aus Angst vor dem Balkan-Syndrom haben nach Angaben des
stellvertretenden Verteidigungsministers Dimitris Apostolakis bisher 142
von
insgesamt 1.481 Soldaten eine vorzeitige Rückkehr aus dem Kosovo
beantragt.
Der jugoslawische Präsident Vojislav Kostunica, der gestern in Athen zu
einem Staatbesuch eintraf, erklärte in einem Interview mit der
griechischen
Presse: „Die Bombardierung verschiedener Regionen Jugoslawiens mit
abgereicherter Uranmunition ist ein weiterer Beweis dafür, dass die
ganze
Operation (der NATO, Anm.RR) ein krimineller Akt war“.
(„Kostunica: DU use
is criminal, Kathimerini, ATHENS, MONDAY, JANUARY 15, 2001)

Saarburg den 16.01.01