>Betreff: Fwd: Nato Tribunal Message Board- RE: der
jugoslawischen Kriege
>
>http.://www.freitag.de/2000/51/00510701.htm

>>die wochenzeitung "freitag" ( augabe vom 15.12.00) beruft sich in einem
>>artikel ueber den nato-einsatz im kosovo auf einen juengst erschienen
>>nato-generalbericht zu den hintergruenden des einsatztes im kosovo-krieg.
>>kann mir jemand einen tip geben wo ich ihn finden koente. bzw die adresse
>>der deutschsprachigen homepage der nato geben.
>>vielen dank.


>Um den Artikel von Dieter S. Lutz
>
>Krieg nach Gefühl
>SPÄTES GESTÄNDNIS ZUR BOMBARDIERUNG JUGOSLAWIENS Manipulationen der NATO
und
>strategische Meisterleistung der UÇK
>
>
Dieter S. Lutz
Krieg nach Gefühl




KRIEG NACH GEFÜHL

SPÄTES GESTÄNDNIS ZUR BOMBARDIERUNG JUGOSLAWIENS

Manipulationen der NATO und strategische Meisterleistung der UÇK

Nicht die serbische Armee, sondern vielmehr die UÇK war ursächlich für
die
Konflikteskalation und die Erzeugung einer humanitären Krise seinerzeit
im
Kosovo verantwortlich, heißt es ungeschminkt im Report der
Parlamentarischen
Versammlung der NATO (*). Mit Blick auf die "Befreiungsorganisation" der
Kosovo-Albaner wird weiter zugegeben: Die NATO-Staaten waren an
"Stabilität
in der Region interessiert". Die UÇK aber strebte "eine Verschärfung der
Notlage an, um die Bevölkerung zum Aufstand für die Unabhängigkeit zu
bewegen. So nutzte die UÇK das Holbrooke-Milosevic-Abkommen als
Atempause,
um ihre Kräfte nach den Rückschlägen des Sommers zu verstärken und neu
zu
gruppieren. Die serbischen Repressionen ließen unter dem Einfluss der
KVM
(Kosovo Verification Mission der OSZE - die Red.) in der Zeit von
Oktober
bis Dezember 1998 nach. Dagegen fehlte es an effektiven Maßnahmen zur
Eindämmung der UÇK, die weiterhin in den USA und Westeuropa - vor allem
in
Deutschland und der Schweiz - Spenden sammeln, Rekruten werben und
Waffen
über die albanische Grenze schmuggeln konnte. So nahmen die Angriffe der
UÇK
auf serbische Sicherheitskräfte und Zivilisten ab Dezember 1998 stark
zu.
Der Konflikt eskalierte neuerlich, um eine humanitäre Krise zu erzeugen,
welche die NATO zur Intervention bewegen würde."
Wer diese Tatsachen bereits vor oder während des Kosovo-Krieges
artikulierte, wurde als Verschwörungstheoretiker und Serbenfreund
diffamiert. Den einzigen deutschen Soldaten mit aufrechtem Gang -
Brigadegeneral Loquai - hat das nach Intervention des
Bundesverteidigungsministeriums den Job bei der OSZE in Wien gekostet.
Aber
was eigentlich ist mit all den unschuldigen Menschen, die als sogenannte
Kollateralschäden ihr Leben verloren haben?
Nimmt man das späte Geständnis der Parlamentarischen Versammlung der
NATO
ernst, wer trägt dann die Verantwortung, die ganz persönliche Schuld für
den
Tod des alten Nachtwächters in der bombardierten Tabakfabrik, für den
Tod
des bulgarischen Kleinhändlers im Omnibus, des Montenegriners, der
Mutter
mit den beiden kleinen Mädchen im Auto auf der Brücke, des flüchtenden
Albaners auf dem Traktor, des serbischen Deserteurs auf dem Fahrrad, der
Krebskranken im stromabhängigen Hospital, der Journalisten in der
chinesischen Botschaft? Wirklich der "Dämon" in Belgrad, wie uns die
westlichen Demokraten glauben machten? Oder doch die demokratisch
legitimierten Abgeordneten, Staatssekretäre, Minister, die einen
Luftkrieg
beschlossen, ohne dass die meisten von ihnen auch nur eine Ahnung von
der
alles zerstörenden Wucht tausender von Einsatzraten hatten, und denen
selbst
Bezeichnungen wie Cruise missiles oder Kasetten-Bomben bis vor kurzem
völlig
fremd waren?


Verfassungswidrige Entscheidungen

Wer von uns hätte sich je vorstellen können, dass Demokratien - konkret:
unsere Politiker - einen Krieg aus Gründen einer "humanitären
Katastrophe"
führen, im Vorfeld des Militäreinsatzes aber keineswegs Vorsorge für
eben
die Opfer dieser Katastrophe treffen - im Gegenteil, medizinische
Versorgung, Lebensmittel, Wasseraufbereitung oder Zelte mit oder ohne
Absicht einfach vergessen? Und vor allem: Wer von uns hätte sich je
auszumal
en gewagt, dass deutsche Demokraten dazu beitragen, Menschenleben zu
vernichten, ohne die Fakten und Daten wirklich zu kennen - und dafür
noch
Applaus zu bekommen von Journalisten, Philosophen, Dichtern, Juristen,
Friedensforschern?

Nach deutschem Verfassungsrecht ist die Entscheidung für Krieg ohne
Kenntnis
der Fakten verfassungswidrig. Artikel 26/Absatz 2 des Grundgesetzes
verlangt
im Gegenteil - als Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg - absolute und
zweifelsfreie Gewissheit. Die Entscheidung der NATO - einschließlich
Deutschlands -, Jugoslawien zu bombardieren, basierte aber gerade nicht
auf
zweifelsfreier Gewissheit, sondern auf einem unbestimmten "Gefühl", wie
die
Parlamentarierversammlung jetzt zugibt: "Mit dem bis heute nicht restlos
aufgeklärten angeblichen Massaker von Racak entstand das Gefühl eines
Handlungsbedarfs, das nach dem Scheitern der Rambouillet-Verhandlungen
zu
den von der UÇK herbeigesehnten NATO-Luftangriffen führte."
(Hervorhebung
D.L.)

Aber schlimmer noch: Waren Daten und Fakten - vor Kriegsbeginn -
wirklich
unbekannt? War der Kosovo-Krieg allein deshalb unvermeidbar, weil die
Lageberichte der Ämter und Dienste gegenteilige Schlussfolgerungen - und
wenn man so will: gegenteilige Gefühle - von vornherein nicht zuließen?
Klammern wir einmal die vielen dirty secrets wie das erwähnte "Massaker"
von
Racak oder das angebliche Massaker von Rugovo oder das angebliche KZ in
der
Fußballarena von Pristina oder den selbst gezeichneten "Hufeisenplan"
einfach aus. Lassen wir also all die bewussten Manipulationen der
Öffentlichkeit zur Erzeugung von Gefühlen beiseite, an denen nicht nur
NATO-Strategen, sondern auch und gerade deutsche Politiker beteiligt
waren.
Was sagen die vertraulichen - der Öffentlichkeit nicht bekannten -
Lage-Analysen der Dienste vor Kriegsbeginn? Entsprechen oder
widersprechen
sie dem Bild des Kosovo-Konfliktes und seiner Eskalation, das die
Parlamentarierversammlung heute, zwei Jahre später, so unverblümt
zeichnet?


"Hit-and-Run Aktionen" der UÇK

Folgt man einer Lageanalyse des Auswärtigen Amtes (AA) vom 19. März
1999, so
wird klar, dass die politischen Entscheidungsträger bereits vor dem
Krieg
Bescheid gewusst haben (müssen). In der internen Vorlage, die wenige
Tage
vor Beginn des NATO-Bombardements am 24. März gefertigt und an den
Außenminister ebenso wie an das Bundesverteidigungsministerium
weitergereicht wurde, verdeutlichen die Autoren expressis verbis, dass
der
Waffenstillstand nicht allein von den Serben, sondern "von beiden Seiten
nicht mehr eingehalten" wird. Als Ziel der Operationen der
jugoslawischen
Streitkräfte (VJ) werden auch nicht Völkermord und Vertreibung
angegeben.
Ziel sei vielmehr, "durch gezielte Geländebereinigung sämtliche
Rückzugsmöglichkeiten für die UÇK zu beseitigen". Die Zivilbevölkerung
werde
in der Regel sogar "vor einem drohenden Angriff durch die VJ gewarnt."
Allerdings werde "die Evakuierung der Zivilbevölkerung vereinzelt durch
lokale UÇK-Kommandeure unterbunden". Nach Abzug der serbischen
Sicherheitskräfte kehre die Bevölkerung meist in die Ortschaften zurück.
Eine Massenflucht in die Wälder sei nicht zu beobachten. Und dann heißt
es:
"Von Flucht, Vertreibung und Zerstörung im Kosovo sind alle dort
lebenden
Bevölkerungsgruppen gleichermaßen betroffen. Etwa 90 vormals von Serben
bewohnte Dörfer sind inzwischen verlassen ... Anders als im
Herbst/Frühwinter 1998 droht derzeit keine Versorgungskatastrophe."

Erhärtet wurde diese Analyse des AA durch den vertraulichen Lage-Bericht
der
Nachrichtenoffiziere des Verteidigungsministeriums vom "23. März, 15.00
Uhr". Darin - erstellt nur 24 Stunden vor Kriegsbeginn - heißt es
ausdrücklich: "Das Anlaufen einer koordinierten Großoffensive der
serbisch-jugoslawischen Kräfte gegen die UÇK im Kosovo kann bislang
nicht
bestätigt werden". Zu einer großangelegten Operation gegen die UÇK im
gesamten Kosovo seien die serbisch-jugoslawischen Kräfte nicht fähig.
Und
dann formulierten die Nachrichtenoffiziere schon damals eine Aussage,
die
sich heute auch im Generalbericht der NATO-Parlamentarier findet: "Die
UÇK
ihrerseits wird wahrscheinlich weiter versuchen, durch die bekannten
Hit-and-Run-Aktionen die serbisch-jugoslawischen Kräfte zu massiven
Reaktionen zu provozieren in der Hoffnung, dass diese in ihren
Ergebnissen
hinsichtlich Zerstörungen und Flüchtlingen ein Ausmaß annehmen, das
sofortige Luftschläge der NATO heraufbeschwört."

Wer diese Berichte das erste Mal liest, ist zweifellos äußerst erstaunt.
Zum
Beispiel über die Information, dass die Albaner von den serbischen
Streitkräften vorab gewarnt wurden und dann auch wieder in die Dörfer
zurückkehren konnten. Diese Information passt so gar nicht in das Bild
des
seinerzeit Gehörten. Der nächste Gedanke ist: Warum wurde der
Öffentlichkeit
dies alles vorenthalten? Und schließlich fällt auf, das soeben Gelesene
ist
doch wohl eher die Lagebeschreibung eines Bürgerkrieges oder eines
bürgerkriegsähnlichen Geschehens - mit all den einhergehenden
Grausamkeiten -, nicht aber ein Bericht, der es rechtfertigte, von
Völkermord, Auschwitz, Konzentrationslagern, ethnischer Säuberung und
systematischer Vertreibung zu sprechen.


Ernstfall Frieden

Unser Bild vom Kosovo-Konflikt ist vor allem durch die jugoslawische
Unterdrückungspolitik seit 1989, die Manipulationen des Westens vor und
während des NATO-Krieges und durch die Verbrechen an den Kosovo-Albanern
nach Beginn der NATO-Luftangriffe im März 1999 geprägt. Durch die
Manipulationen der öffentlichen Meinung vor und während des
NATO-Bombardements erscheint uns die Entwicklung als eine
kontinuierliche
Abfolge einseitig von der jugoslawischen Seite ausgehender Verbrechen,
die
geradezu zwangsläufig zum Eingreifen der NATO führen mussten, um noch
Schlimmeres zu verhindern. Dieses Bild stimmt nicht in jedem Fall. Immer
wieder gab es bis zum März 1999 Perioden, in denen Friedenschancen
bestanden
und nicht genutzt wurden. Dies gilt besonderes für den Herbst 1998.

Mit diesen Überlegungen sollen, ja dürfen die Verbrechen der Serben an
den
Kosovo-Albanern in der Zeit vor dem Holbrooke-Milosevic-Abkommen - also
bis
zum Oktober 1998 - und nach Beginn der NATO-Luftangriffe - also nach dem
24.
März 1999 - keinesfalls verharmlost oder entschuldigt werden. Im
Gegenteil!
Gewaltverbrechen müssen zwingend strafrechtlich verfolgt werden, sei es
mit
nationalstaatlichen Verfahren oder durch einen internationalen
Gerichtshof.
Wenn und solange aber die internationale Staatengemeinschaft,
internationale
Organisationen oder einzelne Staaten aus den unterschiedlichsten Gründen
bereit sind, mit vermeintlichen oder tatsächlichen Rechtsbrechern
Verträge
zu schließen - der Dayton-Vertrag oder das Hoolbroke-Milosevic-Abkommen
sind
ebenso Beispiele wie analoge Vereinbarungen mit Saddam Hussein - so sind
danach alle Vertragspartner gleichermaßen verpflichtet, das Vereinbarte
auch
einzuhalten. Welchen Sinn sollten solche Verträge sonst haben? Die
einseitige Parteinahme zu Lasten eines Vertragspartners unter Verweis
auf
das Geschehen aus der Zeit zuvor ist nach Abschluss der Vereinbarung
jedenfalls nicht mehr möglich - weder politisch, noch rechtlich, schon
gar
nicht moralisch. Die Parteinahme zugunsten einer Seite wider besseres
Wissen
und in deren Folge ein Krieg sind nicht nur unzulässig. Es muss im
Gegenteil
sogar verlangt werden, dass die mögliche Garantiemacht - in diesem Fall
die
NATO - bei entsprechender Vertragsverletzung der bisherigen "Opfer" zu
Gunsten des vormaligen Rechtsbrechers interveniert.
Die NATO aber hat sich im Kosovo-Konflikt sehenden Auges zum Instrument
der
UÇK gemacht, zumindest machen lassen. Aus der Perspektive der UN-Charta
ein
Völkerrechtsbruch auf der Basis des vermeintlichen Rechts des Stärkeren
zu
Lasten der Stärke des Rechts mit unabsehbaren Folgen für die
internationale
Ordnung.

Zu den zivilisatorischen Errungenschaften gehört es, Krieg nur noch als
ultima ratio - als extremen Ausnahmefall - zu akzeptieren.
Entscheidungen
über Krieg und Frieden verlangen daher zweifelsfreie Gewissheit. Angriff
und
Verteidigung dürfen nicht zu Siegerdefinitionen verkommen. Sind Zweifel
da,
kann und darf die Entscheidung keinesfalls für Krieg lauten. Es reicht
deshalb keinesfalls aus, wenn heute die NATO-Parlamentarier in Ziffer 91
ihres Generalberichtes selbstkritisch bekennen: "Die Staatengemeinschaft
darf sich ihr Handeln nicht von einer extremistischen Minderheit
aufzwingen
lassen." Die Lehre aus dem rechtswidrigen Kosovo-Krieg der NATO muss
viel
weiter gehen, grundsätzlicher und zugleich konzeptioneller sein.
Johannes
Rau hat sie in einer seiner Reden wie folgt gezogen: "Für mich lautet
die
wichtigste Lehre: Wir müssen durch vorbeugende Politik die falsche
Alternative zu vermeiden suchen, dass wir Schuld auf uns laden durch
Wegschauen oder dass wir Schuld auf uns laden durch den Einsatz
militärischer Mittel, der auch völlig Unschuldige trifft."

Mit anderen Worten: Vornehmste Aufgabe von Politik ist es vielmehr,
Krieg zu
verhüten, nicht ihn zu führen. Situationen, die als Alternativen nur die
Übel zulassen, Schuld auf sich zu laden oder Unschuldige durch den
Einsatz
militärischer Mittel zu töten, darf es deshalb nicht geben. Treten sie
ein,
hat die Politik versagt. Nicht der Krieg ist also der Ernstfall, in dem
sich
die Politik zu bewähren hat, sondern der Frieden.

(*) Parlamentarische Versammlung der NATO, Politischer Ausschuss: Die
Folgen
des Kosovokonflikts und seine Auswirkungen auf Konfliktprävention und
Krisenmanagement, Generalbericht, Internationales Sekretariat.