Anläßlich der Kundgebung gegen die NATO-Intervention
in Mazedonien am 29. August um 17.00 Uhr
am Kriegsklotz (Stephansplatz)
veröffentlicht die INTERNATIONALE JUGOSLAWIEN
SOLIDARITÄT den folgenden Aufruf:

"Nein!" zur NATO-Intervention in Mazedonien
Brandstifter als Feuerwehr

In den vergangenen Tagen rückten mehr als 3500
NATO-Soldaten in die FYR Mazedonien ein um dort ihre
Operation "Essential Harvest" ("Wesentliche Ernte")
durchzuführen. Das vorgebliche Ziel dieser Operation
ist es, innerhalb von 30 Tagen die von der albanischen
terroristischen Organisation UCK freiwillig
abgegebenen Waffen einzusammeln, zu registrieren, nach
Griechenland zu bringen und dort zu vernichten. Damit
soll, so behaupten die NATO-Politiker, ein seit einem
halben Jahr von albanischen Terroristen geführter
Krieg niederer Intensität ("low intensive war") gegen
die mazedonische Bevölkerung beendet und sein
Umschlagen in einen großen Balkankrieg auf dem
Territorium Mazedoniens, der die Nachbarstaaten wie
Griechenland, Albanien, Bulgarien, Türkei, Serbien,
u.a. einbeziehen würde, verhindert werden.

Die NATO gibt sich also erneut als Friedensstifterin
aus, die auf der Basis der Neutralität selbstlos einer
angeblich bedrohten Bevölkerungsgruppe (den
mazedonischen Albanern) zu Hilfe eilt, indem sie in
einem Land interveniert, das weder ihrem Bündnis
angehört, noch um eine solche "Hilfe" gebeten hat. Die
Zustimmung der mazedonischen Regierung konnte erst
nach monatelangen diplomatischen Manövern in
Verbindung mit Erpressung und offenem militärischen
Druck auf der Grundlage eines sogenannten
"Befriedungsplans", der die Souveränität Mazedoniens
weitgehend außer Kraft setzt, erzielt werden.

Die Brandstifter als Feuerwehr

Fragen wir einmal, was sind das für "Rebellen", die in
Mazedonien seit einem halben Jahr Terror verbreiten,
indem sie friedliche Ortschaften überfallen,
Bombenanschläge gegen öffentliche Gebäude und Kirchen
durchführen, mazedonische Bürger töten, kidnappen und
verschleppen? Woher kommen ihre Waffen und Ausrüstung?
Wo liegen ihre Stützpunkte?

- Angeblich handelt es sich dabei um
Befreiungskämpfer, die sich für die Rechte einer
unterdrückten Minderheit einsetzen. Doch das stimmt
nicht!

Die Ziele dieser Organisationen sind zutiefst
rassistisch und nationalistisch und befinden sich in
der Tradition der Nazikollaborateure und
Mussolini-Faschisten der 30er und 40er Jahre, was
sowohl an ihren Abzeichen, Uniformen und Ritualen, als
auch an ihrer Forderung nach Herstellung eines
"Großalbanien" sichtbar wird.

In Wirklichkeit gibt es auf all diese Fragen nur eine
einzige Antwort mit vier Buchstaben: NATO!

NATO-Staaten haben diese Terrororganisationen
herangezüchtet!
NATO-Staaten haben ihre führenden Kämpfer ausgebildet!
NATO-Staaten haben sie bewaffnet, eingekleidet und
ausgerüstet!
NATO-Staaten kontrollieren und decken jede einzelne
ihrer terroristischen Aktionen und gewähren ihnen
Unterschlupf!

Die NATO ist gegenwärtig weltweit die größte und
gefährlichste terroristische Organisation. Mit ihrem
78tägigen Bombenterror gegen Jugoslawien im Frühjahr
1999 hat sie den albanischen UCK-Banditen das Kosovo
zur freien Verfügung überlassen, die dort seitdem ihre
ungezügelte Terrorherrschaft errichten konnten.

Hunderttausende Einwohner des Kosovo wurden durch die
"ethnische Reinigung" der UCK unter NATO-Aufsicht
vertrieben. Tausende wurden von ihnen ermordet,
vergewaltigt, verschleppt und eingesperrt.

Anstatt die UCK zu entwaffnen und aufzulösen, wozu
sich die NATO im Waffenstillstandsabkommen vom Juni
1999 verpflichtet hatte, wurde sie lediglich in
"Kosovo Schutzcorps" (KPC) umbenannt und als reguläre
Polizeieinheit eingesetzt, um dann in Mazedonien als
UCK, wie Phönix aus der Asche, neu zu entstehen.
Einige veraltete Waffen wurden eingesammelt und von
der NATO gegen modernes Gerät eingetauscht.

So wurde das Kosovo zur Ausgangsbasis weiterer
terroristischer Aktionen gegen die Nachbarstaaten, vor
allem gegen Südserbien, aber dann, seit etwa einem
halben Jahr, bevorzugt Mazedonien. Dabei sind die von
Deutschland und den USA kontrollierten Zonen von
besonderer Bedeutung, da ohne deren Mitwirkung der
grenzüberschreitende Terrorismus gar nicht möglich
wäre.

Versuche der betroffenen Staaten, ihre Bürger vor den
Terrorangriffen zu schützen, wurden von den
NATO-Staaten mit allen Mitteln unterbunden. Im Fall
Jugoslawiens/Serbiens mit Erpressung, Bomben,
Sanktionen und schließlich dem von der CIA und anderen
NATO-Geheimdiensten organisierten "demokratischen
Putsch" um ein NATO-freundliches Regime in Belgrad an
die Macht zu bringen. - Nicht zuletzt wegen seines
entschlossenen Vorgehens gegen den albanischen
separatistischen Terrorismus sitzt heute der ehemalige
Präsident Jugoslawiens Slobodan Milosevic im
NATO-Gefängnis in Den Haag.

Die Regierung der FYR Mazedonien, die sich bislang der
NATO gegenüber außerordentlich kooperativ verhalten
hat, muß jetzt erfahren, daß selbst diese Haltung ihr
heute nichts mehr nützt.

Ihr Land steht als nächstes auf der Speisekarte der
NATO und dazu soll es nach dem Willen der NATO
entweder in verschiedene Zonen aufgeteilt oder im
Inferno eines Bürgerkrieges völlig zerschlagen und die
einzelnen Teile unter den Nachbarstaaten aufgeteilt
werden.

So beklagte sich kürzlich der Ministerpräsident der
FYR Mazedonien Georgevski in einem Brief an den
Generalsekretär der UNO darüber, daß das "Kosovo
Schutzcorps" als eine Organisation, die formal der UNO
untersteht, seinem Land den Krieg erklärt habe.

Der Widerstand wächst

Bereits mehrfach hat in den vergangenen Wochen die
Bevölkerung Mazedoniens in spontanen Aktionen ihren
Protest gegen die unhaltbare Situation in ihrem Land
zum Ausdruck gebracht. Sie macht vor allem die
NATO-Staaten, besonders die USA, Deutschland,
Großbritannien u.a. dafür verantwortlich.

Auf den Einmarsch der NATO-Truppen antworteten sie mit
Blockadeaktionen an den Grenzübergängen, um die
sofortige Freilassung ihrer von UCK-Terroristen
verschleppten Freunde, Nachbarn oder
Familienangehörigen durchzusetzen. Sie wissen, daß die
NATO-Truppen nicht als Friedensstifter, sondern als
Besatzer kommen.

Nach Bosnien und Kosovo soll jetzt in Mazedonien das
dritte NATO-Protektorat auf dem Gebiet des ehemaligen
Jugoslawien errichtet werden. Die NATO-Walze unter dem
Kommando der USA und EU schiebt sich weiter in
Richtung Osten voran. Dazu müssen zunächst mal die
widerspenstigen Balkanvölker unterworfen werden. Ob
diese Pläne der Herrschenden so aufgehen, liegt auch
an uns.

Deswegen gilt:

Unterstützen wir die freiheitsliebenden Balkanvölker
in ihrem gerechten Kampf gegen NATO-, EU- und
USA-Diktat!

NATO UND BUNDESWEHR - RAUS AUS DEM BALKAN!

Hamburg, den 27.08.2001
INTERNATIONALE JUGOSLAWIEN SOLIDARITÄT

Kontakt: IJS, c./o. Magda Thurey Zentrum, Lindenallee
72, 20259 Hamburg;
email: ijs.hamburg@m...
webside: http://jugo-solidaritaet.8k.com

---

Von: "Dr. Peter Strutynski" <strutype@...-kassel.de>
Datum: 2001/08/16 Do PM 03:04:10 GMT+02:00
Betreff: Friedensbewegung: Aktionen gegen Mazedonien-Einsatz

Kassel, den 16. August 2001

Pressemitteilung

"Nicht schon wieder!"
Friedensbewegung macht gegen Bundeswehreinsatz in Mazedonien mobil -
Aktionen und Mahnwachen am Vorabend der Bundestagsentscheidung -
Fünf Gründe gegen einen NATO-Einsatz

Mit einer Erklärung wendet sich die deutsche Friedensbewegung gegen
einen Einsatz von NATO und Bundeswehr in Mazedonien. Der Bundesausschuss
Friedensratschlag, Organisator der jährlichen Strategietreffen der
Friedensbewegung, hat für seine ablehnende Haltung "fünf Gründe"
formuliert, die an die Fraktionen des Bundestags verschickt und in einem
Massenflugblatt öffentlich verbreitet werden (siehe Anlage). Die
Argumente der Friedensbewegung decken sich zum Teil mit den Erwägungen
einer Gruppe von Bundestagsabgeordneten aus SPD und Bündnis90/Die
Grünen, die einem Einsatzbefehl ihre Zustimmung verweigern wollen.

Fünf Gründe gegen NATO-Einsatz

Die Friedensbewegung erinnert erstens an das Völkerecht, das eine
ausländische militärische Intervention in einen inneren Konflikt
grundsätzlich ausschließt. Einmischung zum Schutz der Menschenrechte
etwa müsse mit anderen, nämlich zivilen Mitteln stattfinden. Zweitens
wird auf die Eskalationsgefahr hingewiesen, die im Fall eines
NATO-Eingriffs bestehe. Drittens wird dem häufig gehörten Argument
entgegengetreten, "man könne doch nicht einfach wegschauen". Wenn die
NATO tatsächlich etwas tun wolle zum Schutz Mazedoniens, dann hätte sie
dazu im Kosovo reichlich Gelegenheit, indem sie die UCK konsequent
entwaffnet und die Nachschublinien für Waffen und UCK-Kämpfer nach
Mazedonien unterbricht. Viertens wird gefordert, die UNO ins Spiel zu
bringen. Der UN-Sicherheitsrat hat bisher lediglich die Möglichkeit
erhalten, die Konfliktparteien zur Einhaltung des Waffenstillstands
aufzufordern. Ein Mandat der UNO zu irgend einer Maßnahme liegt nicht
vor. Und fünftens wird festgestellt, Waffeneinsammeln aufgrund einer
freiwilligen Vereinbarung der Konfliktparteien sei eine genuine Aufgabe
der Vereinten Nationen, die hierin auch über einschlägige Erfahrungen
verfüge.

Aktionen angekündigt

Der Bundesausschuss Friedensratschlag ruft zu Protest- und Mahnaktionen
auf, die am Vorabend der Bundestagssitzung, in der über den
Mazedonien-Einsatz beschlossen wird, stattfinden sollen. Dr. Peter
Strutynski, einer der Sprecher des Bundesausschusses, geht davon aus,
das solche Aktionen in sehr vielen Städten und Regionen laufen werden.
Viele Friedensinitiativen und Organisationen seien schon in den
vergangenen Wochen trotz Sommerpause initiativ geworden und haben z.B.
ihre Wahlkreisabgeordneten per Brief, Fax und e-mail "bombardiert". "Wir
werden um jeden Abgeordneten kämpfen. Es darf nicht sein, dass die
Bundesrepublik zwei Jahre nach dem völkerrechtswidrigen Krieg gegen
Jugoslawien wieder Kriegspartei auf dem Balkan wird und möglicherweise
mithilft einen selbständigen Staat zu zerstören", sagte Strutynski.

Friedensbewegung geht auf Distanz zur CDU/CSU und FDP

Gleichzeitig geht der Bundesausschuss Friedensratschlag auf Distanz zur
CDU/CSU und FDP, die ihre ablehnende Haltung nur taktisch begründen und
in Wirklichkeit von NATO und Bundeswehr von Anfang an ein "robusteres"
Eingreifen verlangen. Die Friedensbewegung sagt auch NEIN zu einer von
CDU/CSU und FDP geforderten Aufstockung des Militärausgaben. Die
deutschen Steuerzahler, Rentner, Arbeitslosen, Sozialhilfeempfänger,
Kassen- und Krankenhauspatienten leiden nicht an einem Zuwenig, sondern
an einem Zuviel an Bundeswehr und Militärausgaben!

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Dr. Peter Strutynski (Sprecher)

Bei Rückfragen:
Tel. P. Strutynski: dienstl. 0561/804-2314; FAX 0561/804-3738;
Tel. privat: 0561/311693
e-mail: strutype@...-kassel.de

Anlage: Flugblatt des Bundesausschusses Friedensratschlag

Nicht schon wieder!
Gegen einen Einsatz der Bundeswehr in Mazedonien

Die Friedensbewegung wendet sich mit aller Entschiedenheit
gegen den von
der Bundesregierung geplanten Einsatz der Bundeswehr in
Mazedonien. Vor
Wochen schon haben Bundeskanzler Schröder,
Verteidigungsminister
Scharping und Außenminister Fischer versprochen, an einem
in Aussicht
gestellten NATO-Kontingent nur unter drei Bedingungen
teilzunehmen:
1) Müssten die terroristischen UCK-Kämpfer bereit
sein "freiwillig" ihre
Waffen abzugeben, sodass die NATO sie nur "einzusammeln"
bräuchte.
2) Müsste im Gegenzug die mazedonische Regierung
garantieren, dass der
albanischen Bevölkerungsminderheit mehr Rechte eingeräumt
werden (z.B.
Albanisch als zweite Amtssprache, mehr Selbstverwaltung in
den
Kommunen).
3) Müsste ein "stabiler und dauerhafter"
Waffenstillstand herrschen.

Die beiden ersten Bedingungen sind nun nach dem
"Friedensabkommen" vom
13. August von den Konfliktparteien in Mazedonien
zumindest versprochen
worden. Mit der dritten Bedingung ist es allerdings
schlecht bestellt:
Die UCK setzte auch nach dem Abkommen ihre Angriffe gegen
makedonische
Polizei- und Militärstützpunkte fort. Bisher kann noch
nicht einmal
davon die Rede sein, dass der Waffenstillstand begonnen
habe, geschweige
denn dass er sich bereits "stabilisiert" hätte und
"belastbar" sei.

Dennoch will die Regierung vom Bundestag ein Mandat für
einen
Bundeswehreinsatz. Damit bricht sie ihr eigenes Wort und
gefährdet zudem
das Leben der deutschen Soldaten.

Fünf Gründe gegen einen Bundeswehreinsatz

Wir sagen NEIN zum Einsatz der Bundeswehr und der NATO in
Mazedonien,
und zwar aus fünf Gründen:

1. Zu allererst muss festgehalten werden, dass der innere
Konflikt in
Mazedonien - der noch dazu von außen, nämlich vom Kosovo
her unterstützt
wird - zunächst eine innere Angelegenheit der Makedonier
selbst ist. Es
geht um die territoriale Unversehrtheit des makedonischen
Staates. Wie
der mit seinen Minderheiten umgeht, ist selbstverständlich
nicht mehr
nur seine eigene Sache, sondern Einmischung im Sinne der
Wahrung der
universellen Menschenrechte ist durchaus erlaubt, ja sogar
geboten. Die
Einmischung selbst muss aber im Einklang mit dem
Völkerrecht stehen, es
müssen gewaltfreie und zivile Instrumente eingesetzt
werden. Die
NATO-Staaten, die gerade erst vor wenigen Monaten ihr Herz
für
Mazedonien entdeckt haben, hätten jahrelang Gelegenheit
dazu gehabt.

2. Zum zweiten kann nicht oft genug auf die
Eskalationsgefahr
hingewiesen werden, die ein NATO-Einsatz heraufbeschwören
könnte. Für
die UCK, in deren kollektiver Erinnerung die NATO seit dem
Jugoslawienkrieg 1999 als Verbündeter weiterlebt, bedeutet
ein
militärisches Eingreifen der NATO natürlich eine
Bestätigung ihrer
bisherigen Guerillataktik und eine riesige Ermutigung mit
dieser Taktik
fortzufahren. Sollte die NATO, sollten insbesondere die
Truppenkontingente der Führungsmacht USA bei ihrem Einsatz
stärker für
die albanische Seite Partei ergreifen, werden sie
unweigerlich in
Konflikt mit der mazedonischen Regierung und ihrer Armee
geraten.
Sollten die NATO-Truppen indessen ihren Auftrag mehr im
Sinne
Mazedoniens erfüllen (z.B. durch ein konsequentes Vorgehen
bei der
Entwaffnung), werden sie die bewaffnete Feindschaft der
albanischen
Terroreinheiten kennen lernen. Ein Anschwellen der
militärischen
Auseinandersetzung bis hin zu bürgerkriegsähnlichen
Zuständen und einer
Ausbreitung des Konflikts (nach Montenegro, nach Serbien)
wären die
wahrscheinliche Folge.

3. Das heißt drittens nicht, dass die NATO "zuschauen"
muss. Sie steht -
als KFOR-Truppe - mit über 40.000 Soldaten im Kosovo. Dort
kann sie das
tun, was sie in den beiden zurückliegenden Jahren so
sträflich versäumt
hat: die UCK restlos entwaffnen, ihre Verbände auflösen
und die Grenze
zu Mazedonien für den Waffen- und Menschenschmuggel
endgültig dicht
machen. Die NATO hat bei ihrem Krieg gegen Jugoslawien
versprochen, für
ein "multiethnisches" Kosovo zu kämpfen. Als
Besatzungsmacht hat sie es
jedoch zugelassen, dass das Kosovo bis heute ethnisch
nahezu vollständig
"gesäubert" wurde: Mehr als 250.000 Serben, Roma und
andere
nicht-albanische Bevölkerungsgruppen sind aus dem Kosovo
mehr oder
weniger unsanft vertrieben worden.

4. Viertens gilt es, die UNO ins Spiel zu bringen.
Bundesaußenminister
Fischer verwies am 14. August, also einen Tag nach dem
Abkommen in
Skopje, triumphierend darauf, dass der UN-Sicherheitsrat
am Vorabend in
einem Beschluss einstimmig das diplomatische Engagement
von NATO, EU und
OSZE in Mazedonien begrüßt habe. Damit, so Fischer, zeige
die
Staatengemeinschaft ihre "geschlossene Unterstützung" für
den
Friedensplan (FR, 15.08.2001). Von einem wirklichen
UN-Mandat für einen
Militäreinsatz nach Kapitel VII der UN-Charta kann aber
überhaupt keine
Rede sein. Der UN-Sicherheitsrat hat die mazedonischen
Konfliktparteien
nämlich lediglich zur Einhaltung des Waffenstillstands und
zur
Verwirklichung des Friedensabkommens aufgerufen. Die
"volle
Unterstützung" der "internationalen Gemeinschaft" für das
Engagement von
NATO, EU und OSZE ist nicht in der
Sicherheitsratserklärung enthalten,
sondern stammt aus einer Erklärung des UN-Generalsekretärs
Kofi Annan.

5. Schließlich muss darauf hingewiesen werden, dass sich
die Vereinten
Nationen mit ihren Peace-keeping-Instrumenten
(Vermittlungsdienste,
Beobachter bis hin zu leicht bewaffneten "Blauhelmen") am
besten dafür
eignen, als Schiedsrichter in einem so gearteten Konflikt
wie dem in
Mazedonien aufzutreten. Gerade wenn die NATO
gebetsmühlenartig
wiederholt, dass ihr Einsatz nur einer "freiwilligen"
Entwaffnung der
UCK diene und sich jeglicher bewaffneter Einsatz gegen
eine der beiden
Konfliktparteien verbiete, hat sie in Mazedonien schon gar
nichts zu
suchen. Waffen einsammeln und registrieren kann die UNO
mindestens genau
so gut; hierüber verfügen die Vereinten Nationen auch
schon über
Erfahrungen aus verschiedenen Konfliktgebieten der Welt
(z.B. zuletzt
aus Sierra Leone).

Warum?

Wenn NATO und Bundesregierung dennoch so eifrig auf die
eigene
militärische Karte setzen, so ist dahinter eine andere
Absicht zu
vermuten:
- Einmal geht es wohl darum, Mazedonien in eine Art
"NATO-Protektorat"
zu verwandeln, um mit ihm schalten und walten zu können,
wie es der NATO
beliebt.
- Zum anderen soll mit dem Militäreinsatz in Mazedonien
der Welt
demonstriert werden, dass es in der Politik auch ohne UNO
geht. Die
Weltstaatengemeinschaft, die sonst so oft beschworen wird,
muss
erkennen, dass in ihr nur die NATO (und damit in erster
Linie die
übermächtigen USA) das Sagen hat.

Dem können wir nicht zustimmen. Deshalb sagen wir NEIN zum
NATO- und
Bundeswehreinsatz in Mazedonien.

Kassel/Frankfurt/Hamburg/Berlin, 16. August 2001
Bundesausschuss Friedensratschlag
c/o DGB Kassel, Spohrstr. 6, 34117 Kassel.
www.friedensratschlag.de


-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Dr. Peter Strutynski [mailto:strutype@...-kassel.de]
Gesendet: Donnerstag, 16. August 2001 14:58
Betreff: Gegen Bundeswehreinsatz - Aktionen


Liebe Friedensfreundinnen und -freunde,
es wird Ernst. Voraussichtlich wird der Bundestag in der
kommenden Woche
(entweder am 23. oder am 24. August) zu einer
Sondersitzung einberufen,
um über den Bundeswehreinsatz in Makedonien zu
entscheiden.
Wir hatten uns in der Friedensbewegung darauf verständigt,
am Vorabend
der Bundestagssitzung überall im Land, wo dies möglich
ist, Aktionen
(Demos, Mahnwachen, Info-Stände usw.) zu machen.
Außerdem haben wir im Bundesausschuss Friedensratschlag
ein aktuelles
Argumentationsflugblatt erstellt, dessen Text wir euch
anbei
mitschicken. Ihr könnt daraus - wenn ihr wollt - bequem
eigene
Flugblätter für eure Aktionen herstellen.
Weitere aktuelle Informationen gibt es auf unserer
Homepage unter:

http://www.uni-kassel.de/fb10/frieden/regionen/Makedonien/abkommen.html

Mit den besten Grüßen
Peter Strutynski

Und hier der Flugblatttext:

Nicht schon wieder!
Gegen einen Einsatz der Bundeswehr in Mazedonien

Die Friedensbewegung wendet sich mit aller Entschiedenheit
gegen den von
der Bundesregierung geplanten Einsatz der Bundeswehr in
Mazedonien. Vor
Wochen schon haben Bundeskanzler Schröder,
Verteidigungsminister
Scharping und Außenminister Fischer versprochen, an einem
in Aussicht
gestellten NATO-Kontingent nur unter drei Bedingungen
teilzunehmen:
1) Müssten die terroristischen UCK-Kämpfer bereit
sein "freiwillig" ihre
Waffen abzugeben, sodass die NATO sie nur "einzusammeln"
bräuchte.
2) Müsste im Gegenzug die mazedonische Regierung
garantieren, dass der
albanischen Bevölkerungsminderheit mehr Rechte eingeräumt
werden (z.B.
Albanisch als zweite Amtssprache, mehr Selbstverwaltung in
den
Kommunen).
3) Müsste ein "stabiler und dauerhafter"
Waffenstillstand herrschen.

Die beiden ersten Bedingungen sind nun nach dem
"Friedensabkommen" vom
13. August von den Konfliktparteien in Mazedonien
zumindest versprochen
worden. Mit der dritten Bedingung ist es allerdings
schlecht bestellt:
Die UCK setzte auch nach dem Abkommen ihre Angriffe gegen
makedonische
Polizei- und Militärstützpunkte fort. Bisher kann noch
nicht einmal
davon die Rede sein, dass der Waffenstillstand begonnen
habe, geschweige
denn dass er sich bereits "stabilisiert" hätte und
"belastbar" sei.

Dennoch will die Regierung vom Bundestag ein Mandat für
einen
Bundeswehreinsatz. Damit bricht sie ihr eigenes Wort und
gefährdet zudem
das Leben der deutschen Soldaten.

Fünf Gründe gegen einen Bundeswehreinsatz

Wir sagen NEIN zum Einsatz der Bundeswehr und der NATO in
Mazedonien,
und zwar aus fünf Gründen:

1. Zu allererst muss festgehalten werden, dass der innere
Konflikt in
Mazedonien - der noch dazu von außen, nämlich vom Kosovo
her unterstützt
wird - zunächst eine innere Angelegenheit der Makedonier
selbst ist. Es
geht um die territoriale Unversehrtheit des makedonischen
Staates. Wie
der mit seinen Minderheiten umgeht, ist selbstverständlich
nicht mehr
nur seine eigene Sache, sondern Einmischung im Sinne der
Wahrung der
universellen Menschenrechte ist durchaus erlaubt, ja sogar
geboten. Die
Einmischung selbst muss aber im Einklang mit dem
Völkerrecht stehen, es
müssen gewaltfreie und zivile Instrumente eingesetzt
werden. Die
NATO-Staaten, die gerade erst vor wenigen Monaten ihr Herz
für
Mazedonien entdeckt haben, hätten jahrelang Gelegenheit
dazu gehabt.

2. Zum zweiten kann nicht oft genug auf die
Eskalationsgefahr
hingewiesen werden, die ein NATO-Einsatz heraufbeschwören
könnte. Für
die UCK, in deren kollektiver Erinnerung die NATO seit dem
Jugoslawienkrieg 1999 als Verbündeter weiterlebt, bedeutet
ein
militärisches Eingreifen der NATO natürlich eine
Bestätigung ihrer
bisherigen Guerillataktik und eine riesige Ermutigung mit
dieser Taktik
fortzufahren. Sollte die NATO, sollten insbesondere die
Truppenkontingente der Führungsmacht USA bei ihrem Einsatz
stärker für
die albanische Seite Partei ergreifen, werden sie
unweigerlich in
Konflikt mit der mazedonischen Regierung und ihrer Armee
geraten.
Sollten die NATO-Truppen indessen ihren Auftrag mehr im
Sinne
Mazedoniens erfüllen (z.B. durch ein konsequentes Vorgehen
bei der
Entwaffnung), werden sie die bewaffnete Feindschaft der
albanischen
Terroreinheiten kennen lernen. Ein Anschwellen der
militärischen
Auseinandersetzung bis hin zu bürgerkriegsähnlichen
Zuständen und einer
Ausbreitung des Konflikts (nach Montenegro, nach Serbien)
wären die
wahrscheinliche Folge.

3. Das heißt drittens nicht, dass die NATO "zuschauen"
muss. Sie steht -
als KFOR-Truppe - mit über 40.000 Soldaten im Kosovo. Dort
kann sie das
tun, was sie in den beiden zurückliegenden Jahren so
sträflich versäumt
hat: die UCK restlos entwaffnen, ihre Verbände auflösen
und die Grenze
zu Mazedonien für den Waffen- und Menschenschmuggel
endgültig dicht
machen. Die NATO hat bei ihrem Krieg gegen Jugoslawien
versprochen, für
ein "multiethnisches" Kosovo zu kämpfen. Als
Besatzungsmacht hat sie es
jedoch zugelassen, dass das Kosovo bis heute ethnisch
nahezu vollständig
"gesäubert" wurde: Mehr als 250.000 Serben, Roma und
andere
nicht-albanische Bevölkerungsgruppen sind aus dem Kosovo
mehr oder
weniger unsanft vertrieben worden.

4. Viertens gilt es, die UNO ins Spiel zu bringen.
Bundesaußenminister
Fischer verwies am 14. August, also einen Tag nach dem
Abkommen in
Skopje, triumphierend darauf, dass der UN-Sicherheitsrat
am Vorabend in
einem Beschluss einstimmig das diplomatische Engagement
von NATO, EU und
OSZE in Mazedonien begrüßt habe. Damit, so Fischer, zeige
die
Staatengemeinschaft ihre "geschlossene Unterstützung" für
den
Friedensplan (FR, 15.08.2001). Von einem wirklichen
UN-Mandat für einen
Militäreinsatz nach Kapitel VII der UN-Charta kann aber
überhaupt keine
Rede sein. Der UN-Sicherheitsrat hat die mazedonischen
Konfliktparteien
nämlich lediglich zur Einhaltung des Waffenstillstands und
zur
Verwirklichung des Friedensabkommens aufgerufen. Die
"volle
Unterstützung" der "internationalen Gemeinschaft" für das
Engagement von
NATO, EU und OSZE ist nicht in der
Sicherheitsratserklärung enthalten,
sondern stammt aus einer Erklärung des UN-Generalsekretärs
Kofi Annan.

5. Schließlich muss darauf hingewiesen werden, dass sich
die Vereinten
Nationen mit ihren Peace-keeping-Instrumenten
(Vermittlungsdienste,
Beobachter bis hin zu leicht bewaffneten "Blauhelmen") am
besten dafür
eignen, als Schiedsrichter in einem so gearteten Konflikt
wie dem in
Mazedonien aufzutreten. Gerade wenn die NATO
gebetsmühlenartig
wiederholt, dass ihr Einsatz nur einer "freiwilligen"
Entwaffnung der
UCK diene und sich jeglicher bewaffneter Einsatz gegen
eine der beiden
Konfliktparteien verbiete, hat sie in Mazedonien schon gar
nichts zu
suchen. Waffen einsammeln und registrieren kann die UNO
mindestens genau
so gut; hierüber verfügen die Vereinten Nationen auch
schon über
Erfahrungen aus verschiedenen Konfliktgebieten der Welt
(z.B. zuletzt
aus Sierra Leone).

Warum?

Wenn NATO und Bundesregierung dennoch so eifrig auf die
eigene
militärische Karte setzen, so ist dahinter eine andere
Absicht zu
vermuten:
- Einmal geht es wohl darum, Mazedonien in eine Art
"NATO-Protektorat"
zu verwandeln, um mit ihm schalten und walten zu können,
wie es der NATO
beliebt.
- Zum anderen soll mit dem Militäreinsatz in Mazedonien
der Welt
demonstriert werden, dass es in der Politik auch ohne UNO
geht. Die
Weltstaatengemeinschaft, die sonst so oft beschworen wird,
muss
erkennen, dass in ihr nur die NATO (und damit in erster
Linie die
übermächtigen USA) das Sagen hat.

Dem können wir nicht zustimmen. Deshalb sagen wir NEIN zum
NATO- und
Bundeswehreinsatz in Mazedonien.

Kassel/Frankfurt/Hamburg/Berlin, 16. August 2001
Bundesausschuss Friedensratschlag
c/o DGB Kassel, Spohrstr. 6, 34117 Kassel.
www.friedensratschlag.de

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Artikel http://www.jungewelt.de/2001/08-20/014.shtml

Startseite junge Welt Interview
20.08.2001

Haben die linken Kräfte in Jugoslawien eine Zukunft?
jW sprach mit dem ehemaligen jugoslawischen Außenminister Vladislav
Jovanovic

Jovanovic war zur Zeit der NATO-Aggression 1999 jugoslawischer
Delegationschef bei der UNO in New York. Er gehört keiner politischen
Partei an und lebt in Belgrad


F: Nach dem Regierungswechsel im Oktober letzten Jahres ist die
Bundesrepublik Jugoslawien in die internationalen Institutionen
zurückgekehrt. Wieviel hat das Land davon profitiert und was hat man
dafür in Kauf genommen?

Diese Rückkehr hat nie stattgefunden. Es stimmt schon, daß Präsident
Vojislav Kostunica und die regierende »Demokratische Opposition
Serbiens« (DOS) dies für ihren Verdienst halten. Den Menschen in
Serbien wird das Ganze dann auch als Ergebnis einer weisen,
konstruktiven und in die Zukunft gerichteten Politik der DOS verkauft.
Doch de facto bedeutet es nichts anderes als die Aushändigung
Jugoslawiens an die internationalen Institutionen. Die Rückkehr setzt
die Erfüllung aller von den führenden westlichen Ländern gestellten
Forderungen voraus. Jene Länder waren nicht nur maßgeblich am
Auseinanderbrechen Jugoslawiens vor zehn Jahren beteiligt, sondern
haben über das Land auch Sanktionen verhängt, es in die Isolation
gedrängt - und schließlich vor zwei Jahren einen Angriffskrieg gegen
uns geführt.

F: Eine dieser internationalen Institutionen ist das sogenannte
UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Im Juni hatte die DOS
Slobodan Milosevic an das Haager Gericht überstellt. In der Folge muß
am heutigen Montag der frühere jugoslawische Präsident seinen 60.
Geburtstag in einem niederländischen Gefängnis feiern. Was bedeutet
die von DOS als »Geste des guten Willens« gewertete
Auslieferungsentscheidung für Jugoslawien und die internationalen
Beziehungen?

Man darf nicht vergessen, daß das Haager Tribunal politisch gesehen im
wesentlichen der verlängerte Arm des US-amerikanischen
Außenministeriums ist und unter dessen leitender Hand steht. Die
gegenwärtige jugoslawische Regierung hat mit der Auslieferung
Milosevics die Souveränität des Landes in einer inakzeptablen Art und
Weise verletzt. Dies stellt einen beispiellosen Akt nicht nur in der
Geschichte Jugoslawiens und Serbiens, sondern der Welt schlechthin
dar: Die Auslieferung eines ehemaligen Staatspräsidenten an ein
überaus fragwürdiges Gericht - und zwar nicht mit dem Ziel, ihn für
mögliche Taten zur Rechenschaft zu ziehen, sondern durch seine
Verurteilung, die mehr als sicher ist, die ganze Nation des Genozids
zu bezichtigen. Ich spreche hier über die Schuldzuweisung an die
serbische Nation, die für die schlimmsten Verbrechen gegen die
Menschheit gebrandmarkt wird. Aus diesem Grunde ist die
Verantwortungslosigkeit der DOS enorm.

Serbien soll allein für all das verantwortlich gemacht werden, was
sich im letzten Jahrzehnt auf dem Balkan zugetragen hat - nicht aber
die Sezessionisten oder die ausländischen Protagonisten, die diese
unterstützt haben. Das Prinzip der Individualschuld ist hier außer
Kraft gesetzt. Wäre es anders, müßten neben Milosevic sowohl die
Führer aus den Nachbarländern Jugoslawiens wie auch die der NATO auf
der Anklagebank in Den Haag sitzen. Mit dieser Meinung bin ich nicht
alleine. General Wesley Clark, der die NATO-Truppen während des
Krieges 1999 befehligte, erklärte unlängst, daß die Auslieferung
Milosevics nach Den Haag zwingend für die nachträgliche Legitimierung
der Aggression ist. Clark gab offen zu, daß die Überstellung seines
Gegners letztendlich die Aktionen der nordatlantischen Allianz
rechtfertigt. Es gibt keinen besseren Beweis, daß die
NATO-Bombardierung illegal, kriminell und insofern ohne Rechtfertigung
ist, als zuzugeben, daß dafür der Kopf Milosevics rollen muß.

F: Sie sind ja nicht nur Spitzendiplomat, sondern auch Rechtsanwalt:
Wie wird der Prozeß gegen den Ex-Präsidenten ablaufen?

Zuerst einmal: Mit der Anklageerhebung gegen Milosevic im Mai 1999
beeilte sich das Haager Tribunal, der NATO in den kritischsten
Momenten, als die öffentliche Unterstützung für den Krieg zu schwinden
drohte, unter die Arme zu greifen. Das Tribunal trat in den Krieg ein,
mehr noch, es stellte sich auf die Seite des Aggressors. Das UN-
Gericht, das vom Sicherheitsrat eingesetzt wurde, der die
NATO-Bombardierungen in keinem Zeitpunkt unterstützte, hätte
eigentlich den Vereinten Nationen treu bleiben müssen - und sich nicht
auf die Seite derjenigen stellen dürfen, die die Charta der Vereinten
Nationen verletzen. Auf diese Art wurde es selbst zum Aggressoren
gegenüber Jugoslawien.

Es ist nicht realistisch, von einem solchem Gericht einen fairen und
korrekten Prozeß zu erwarten, weder gegenüber Milosevic noch gegenüber
der Nation, deren Repräsentant er war.

Nichtsdestotrotz: Das Auffinden rechtskräftiger Beweise gegen den
ehemaligen jugoslawischen Staatschef kann sich für das Haager Tribunal
als Problem erweisen. Die Anklage wird sicher versuchen, gewisse
Ereignisse aufzublasen, vielleicht sogar gewisse Beweise zu fälschen -
doch schlußendlich wird die Gerichtsverhandlung unter den Augen der
ganzen Weltöffentlichkeit stattfinden.

Ich denke, das Tribunal wird versuchen, Milosevic erst einmal
möglichst lange in Haft zu halten, indem der Verhandlungsbeginn
aufgeschoben wird. Sobald der Prozeß beginnt, wird man ihn in die
Länge ziehen: Um Zeit zu gewinnen, bis die NATO-Angriffe in
Vergessenheit geraten sind oder von verschiedenen anderen Ereignissen
in den Hintergrund gedrängt werden.

Auf der anderen Seite kann die Gerichtsverhandlung gegen Milosevic so
lange verlängert werden, bis ein Ständiger Internationaler
Strafgerichtshof errichtet ist. Dann tritt das Haager Tribunal zur
Seite, ohne irgendwelche Folgen, ungestraft. Dies ist das
wahrscheinlichste Szenario.

F: Warum war der Widerstand in Serbien gegen die Auslieferung
Milosevics so schwach und die öffentliche Empörung eher bescheiden?

Stillschweigen bedeutet nicht Zustimmung. Vor allem, wenn die Stille
so tief ist. Sie kann ein Warnzeichen dafür sein, daß die gegenwärtige
Politik der DOS ziemlich schief läuft. Warum man nicht spektakulär und
öffentlich seine Entrüstung zeigt? Dies ist leicht mit den langen
Jahren unter den Sanktionen und der Erschöpfung durch den alltäglichen
Existenzkampf zu erklären. Genau dies war ja auch das Ziel der USA und
der NATO - so lange wie möglich das serbische Volk zu quälen, ihm jede
Art von Widerstand zu verunmöglichen.

Dennoch würde ich nicht sagen, daß im Bewußtsein der serbischen
Bevölkerung Verständnis jeglicher Art gehegt wird. Am allerwenigsten
wird der sehr unterwürfige Schritt der serbischen Regierung gebilligt,
Milosevic gegen die Zahlung eines Kopfgeldes auszuliefern. Die DOS
kann schon heute nicht sicher sein, eventuelle Wahlen zu gewinnen. Wie
das in sechs Monaten oder einem Jahr aussieht, können wir uns nur
ausmalen.

Es ist ein offenes Geheimnis, daß die zugesagten Gelder nicht
ausgezahlt, sondern von weiteren Auslieferungen und neuen Konzessionen
abhängig gemacht werden. Es war ein grundlegender Fehler der
gegenwärtigen Regierung, nicht schon von Anfang an Grenzen gesetzt zu
haben.

Daß es keinen unmittelbaren Volksausbruch der Unzufriedenheit gab,
bedeutet noch lange nicht, daß keine Abneigung gegen das Handeln der
serbischen Regierung besteht - was übrigens eine Massenerscheinung
ist. Die Ideen der sozialen Gerechtigkeit und Gleichheit sind aufgrund
einer langen Tradition im Denken und Handeln des serbischen
Durchschnittsbürgers verhaftet. Aus diesem Grunde wecken die
Schwierigkeiten, mit denen die DOS konfrontiert ist, die
katastrophalen Fehler, welche die Partei bis jetzt gemacht hat und die
sie in den nächsten Monaten sicher weiter machen wird, den Wunsch in
der Bevölkerung nach Wiederherstellung der früheren progressiven,
sozialistischen Kräfte. Das Problem ist, daß diese Kräfte den
zurückliegenden Zeitraum von knapp zehn Monaten nicht genügend genutzt
haben. Es gab keine ausreichende Selbstkritik, keine ausreichend
kritische Reflexion der Zeit als sie an der Macht waren. In naher
Zukunft wird daher eine alleinige Rückkehr der linken ohne eine
Koalition mit anderen patriotischen Kräften des Landes nicht möglich
sein.

Interview: Tanja Djurovic, Belgrad

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© junge Welt

---

Internationales Komitee für die Verteidigung von Slobodan Milosevic
- Deutsche Sektion -

c/o Klaus Hartmann
Präsident der Weltunion der Freidenker
Starkenburgring 4
D-63069 Offenbach am Main
T/F: -69 - 83 58 50
e-mail: vorstand@f...
Internet: www.free-slobo.de
www.icdsm.org

Pressemitteilung
05/2001 16.08.2001

SCHREIBT AN SLOBODAN MILOSEVIC
ZU SEINEM 60TEN GEBURTSTAG AM 20. AUGUST 2001 !
SETZT EIN ZEICHEN GEGEN DIE NATO-KRIEGSVERBRECHER
UND IHR HAAGER "TRIBUNAL" !

Die NATO-Regierungen, die Jugoslawien bombardierten, strafen den
ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic dafür, dass
er
ihnen Widerstand leistete. Diejenigen, die für schwerste
Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit verantwortlich
sind, maßen sich an, ihre eigene "internationale Strafjustiz" zu
schaffen. Sie verhöhnen mit dem von ihnen abhängigen Haager Tribunal
im
Mäntelchen der Vereinten Nationen alle friedliebenden und gerecht
denkenden Menschen der ganzen Welt. Dagegen zu protestieren, bietet
der
60te Geburtstags von Slobodan Milosevic am 20. August 2001 eine kleine
aber nicht unwichtige Gelegenheit.

Wir bitten, den Widerstand von Slobodan Milosevic vor dem Haager
Tribunal zu unterstützen und möglichst noch vor dem 20. August 2001
Solidaritätsgrüße an folgende Adresse zu richten:

Mr. Slobodan Milosevic
Huis van Bewaring Pompstationsweg 46a
NL 2597GX Den Haag
The Netherlands

(Wie man Grüße nach Den Haag schicken kann, wird im Anhang erklärt)

Als Slobodan Milosevic am 3. Juli zum ersten Mal dem Haager Tribunal
vorgeführt wurde, versicherte der Richter ihm vor aller Welt: "Ihnen
werden die vollen Rechte des Angeklagten nach internationalem Recht
gewährt."

Welche Rechte ein gekidnaptes Opfer des Haager Tribunals hat, ist
inzwischen klargestellt worden:

1. Recht auf Isolationshaft: Präsident Milosevic wurde sechs Wochen
gegen seinen Protest in Isolationshaft gehalten. Offiziell gilt
dagegen
für die Vereinten Nationen: "Anstrengungen zur Abschaffung der
Isolationshaft als Strafe oder die Einschränkung ihrer Anwendung
sollten
unternommen und gefördert werden."
(http://www.hri.ca/uninfo/treaties/35.shtml)

2. Recht auf Schlafentzug: Während der ersten Tage wurde in der Zelle
von Slobodan Milosevic das Licht nie abgeschaltet. Außerdem sind Tag
und
Nacht Videokameras auf ihn gerichtet, womit auch das Recht auf
keinerlei
Privatsphäre gewährleistet wäre.

3. Recht auf Ablehnung eines Rechtsbeistands der eigenen Wahl: Erst
nach
wochenlangem Gerangel wurde einem der jugoslawischen Anwälte
schließlich
erlaubt, ihn zu sehen. Einem weiteren jugoslawischen Anwalt wurde von
der niederländischen Regierung auf, wie sie erklärte, Anordnung des
"Tribunals" ein Einreisevisum verweigert. Anfang Juli lehnte das
"Tribunal" Ramsey Clarks Antrag für einen Anwaltsbesuch bei Slobodan
Milosevic ab. Inzwischen gehört der ehemalige US-Justizminister, der
auch einer der beiden Vorsitzenden des Internationalen Komitees für
die
Verteidigung von Slobodan Milosevic ist, zu seinem juristischen
Beraterteam und hat ihn Anfang August in der Haft aufgesucht. Nach
Feststellung von Clark haben Vertreter des "Tribunals" anfänglich
Gespräche zwischen Milosevic und seinen Anwälten überwacht und damit
das
"Erfordernis der Vertraulichkeit" aufgehoben.

4. Recht auf Mitansehen der ungebührlichen Behandlung eigener
Angehöriger: Die Ehefrau von Milosevic wurde wie eine Kriminelle
behandelt, als sie nach Holland kam. Außerhalb der Besuchszeit bei
ihrem
Mann, von dem sie durch eine Plexiglaswand ohne funktionierende
Mikrophonanlage getrennt ist, war sie zum Aufenthalt in einem
Hotelzimmer gezwungen. Offiziell gilt dagegen für die Vereinten
Nationen: "Alle Gefangenen sind mit dem ihrer Menschenwürde
geschuldeten
Respekt zu behandeln."

5. Recht auf Verleumdung durch das "Tribunal": Die NATO und das
"Tribunal" logen, als sie den Medien mitteilten, ihr Gefangener sei
selbstmordgefährdet. Tatsächlich erklärte Ramsey Clark nach seinem
Besuch, dass trotz der barbarischen Behandlung "Milosevic stark bleibt
und in ausgezeichneter geistiger Verfassung ist." Dies wird durch
Milosevics eigenes Auftreten und die Aussagen anderer befreundeter
Anwälte bestätigt. Reuters berichtete am 31. Juli als Tatsache eine
andere NATO-Lüge, wonach Milosevic "auf eigenen Antrag in
Isolationshaft
bleibt." "Das ist eine Lüge," sagte der jugoslawische Anwalt Dragoslav
Ognjanovic nach seinem Treffen mit Milosevic. Ognjanovic bestritt,
dass
sein Mandant gebeten habe, von anderen Gefangenen des "Tribunals"
getrennt zu sein.

All dies ist, wie Ramsey Clark vor der Presse in Den Haag nach seiner
Besprechung mit Milosevic erklärte, offensichtlich darauf berechnet,
Milosevic zu brechen: "Ich habe derartiges in vielen Ländern gesehen.
Die Behörden versuchen, einen politischen Gefangenen zu desorientieren
und zu schwächen, insbesondere in den ersten Phasen der Inhaftierung."

Die Behandlung von Milosevic, eines ehemaligen Staatsoberhaupts, und
der
anderen serbischen Gefangenen in Den Haag veranschaulicht, was die
NATO-Führer, die dieses Gefängnis kontrollieren, meinen, wenn sie
davon
sprechen, der Welt humanitäre Werte zu bringen. Ist es ein Zufall,
dass
das Gefängnis des "Tribunals" in Scheveningen liegt, einem Ort, wo
deutsche Faschisten Mitglieder des niederländischen Widerstands
gefangen
hielten und ermordeten? Seit nunmehr zehn Jahren trommelt ein
willfähriger Medienapparat Schreckensberichte gegen Milosevic in
unsere
Köpfe. Es fällt vielen schwer, noch gerade zu denken.

Aber wer ist wirklich schuldig? Wer hat Tausende von Jugoslawen aus
sicherer Flughöhe feige mit Bomben ermorden lassen? Wer hat über eine
Million Menschen aller Nationalitäten in die Heimatlosigkeit nach
Serbien vertrieben? Wer hat im ganzen Balkan faschistische
Separatisten
von der Leine gelassen, sie mit Waffen und Ausbildung versorgt und sie
als Demokraten hochgelobt, wodurch die Opfer gezwungen wurden, mit
ihren
Mördern zu verhandeln? Wer hat einen Atomkrieg niedriger Intensität
geführt, wodurch das Kosovo, der Brennpunkt des "humanitären
Kreuzzuges"
in eine radioaktive Müllhalde verwandelt wurde?

Es ist Milosevic hoch anzurechnen, dass er bei seinem ersten Auftritt
vor dem "Tribunal" die Gelegenheit ergriff zu erklären: "Dieses
Tribunals zielt darauf ab, eine falsche Rechtfertigung für die
NATO-Kriegsverbrechen in Jugoslawien zu liefern." Mit seiner
Weigerung,
vor den NATO-Kriegsverbrechern in die Knie zu gehen, hat Milosevic der
Welt einen unschätzbaren Dienst erwiesen. Als Reaktion darauf,
unternimmt die NATO den Versuch, ihn geistig zu brechen.

Wir können mit einem Solidaritätsgruß helfen, dass dieser Mann in der
Isolationshaft und unter vorsätzlich zermürbenden Bedingungen
moralisch
gestärkt wird - in seiner prinzipienfesten Haltung für die gerechte
Sache der Verteidigung der Souveränität Jugoslawiens und des
Widerstands
gegen die NATO - gestärkt durch unsere von Herzen kommende
Unterstützung.

Gezeichnet:

Klaus Hartmann, Präsident der Weltunion der Freidenker, Deutschland
Jared Israel, Herausgeber www.emperors-clothes.com , USA
Ian Johnson, North West Regional Secretary, Socialist Labour Party,
Großbritannien Mihail N. Kuznecov, Professor für internationales
Recht,
Russische Föderation NicoVarkevisser, Herausgeber von www.targets.org
,
Niederlande

Internationales Komitee für die Verteidigung von Slobodan Milosevic

http://www.icdsm.org
http://www.free-slobo.de


Anhang:

Wie kann man Grüße nach Den Haag schicken?

Leider hat Slobodan Milosevic derzeit weder einen persönlichen Fax-
noch
Email-Anschluss.
Kundenfreundlicherweise hat die Deutsche Telekom den Internationalen
Telegrammdienst in Deutschland zum letzten Jahresende eingestellt, die
Telekom Austria folgte am 30.06.2001.

So kommt zunächst die bekannte Schneckenpost in Frage, aber sicher
nicht
mehr am 20.08. an.

Deshalb könnte man es in Deutschland mit dem folgenden Postangebot
versuchen:
Eil International - laut Eigenwerbung "Zustellung durch besonderen
Boten
oder in vergleichbarer Qualität", Briefsendung DM 10,-- - Erfahrungen
mit der Geschwindigkeit liegen nicht vor.

Garantiert schnell, aber etwas teuer ist der DHL Worldwide Express.
Man
ruft die bundesweite gebührenfreie Rufnummer 0800-2255 345 an, und
vereinbart einen Termin. Nach ca. 2 Stunden erscheint ein Fahrer, der
den Brief entgegennimmt und kassiert: knapp DM 60, dafür ist der Brief
auf jeden Fall am nächsten
Arbeitstag beim Empfänger.

Schließlich kann man es auch mit einem Fax direkt an die Haftanstalt
in
Scheveningen versuchen (und hoffen, dass das Personal die Faxe
weitergibt), Fax-Nr: 0031-70 - 416 49 25 -
Zusätzlicher kleiner Nachteil: Aufmerksamkeit außerhalb der
Anstaltsmauern erregt man so sicher nicht.

Aber sicher sind auch noch Grüße willkommen, die nach dem nächsten
Montag eingehen: Wie wär's z.B. mit einer Ansichtskarte aus Eurer
Stadt?

In jedem Fall muss die Adresse stimmen:

Mr. Slobodan Milosevic
Huis van Bewaring
Pompstationsweg 46 a
NL 2597GX Den Haag
The Netherlands