Europa der Völker 

15.10.2007


FRANKFURT AM MAIN/BARCELONA/STRASBOURG (Eigener Bericht) - Separatisten aus mehreren Gebieten Spaniens haben die Frankfurter Buchmesse für strategische Absprachen genutzt. Wie offizielle Vertreter der Region Katalonien und der Balearen in Frankfurt am Main vor der internationalen Presse ankündigten, werden die beiden Provinzen ihre Zusammenarbeit institutionell verfestigen ("kulturpolitische Kooperation"). Eine weitere Region Spaniens, der Küstenstreifen rings um die Stadt Valencia, solle an der Kooperation teilhaben, erklärte der Vizepräsident Kataloniens. Er strebt die Sezession des Gebietes von Spanien an. Seine Partei ist Mitglied der Vereinigung "European Free Alliance" (EFA), die für EU-weite Grenzrevisionen wirbt - nach dem Modell der deutschen "Volksgruppen"-Ideologie. Die EFA und die Partei des ehemaligen Berliner Außenministers Joseph Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) bilden im Europaparlament eine Fraktionspartnerschaft. Laut einer im Internet verbreiteten EFA-Landkarte sollen Spanien in sechs und Frankreich in fünf Stücke zerlegt werden, Belgien wird ausgelöscht. Teile der Schweiz, Teile Italiens sowie ganz Österreich werden deutsch. Gemeinsames Ziel von Bündnis 90/Die Grünen und EFA ist eine "Europäische Union freier Völker".

Hispanophob

Wie der Präsident der Regionalregierung der Balearen, Francesc Antich, auf der Frankfurter Buchmesse bekanntgab, will er die "kulturpolitische Zusammenarbeit" mit der Region Katalonien intensivieren.[1] Mittel ist das Institut Ramon Llull (Barcelona), eine offizielle Einrichtung der katalonischen Regionalregierung. Das Institut ist in Barcelona umstritten, da es auf der Frankfurter Buchmesse ausschließlich Schriftsteller vertritt, die ihre Werke im katalanischen Idiom verfassen; alle Autoren aus der nordostspanischen Verwaltungseinheit, die auf Spanisch publizieren, werden ausgegrenzt. Die hispanophobe Einrichtung will in Zukunft auch Künstler aus anderen Provinzen repräsentieren und damit deren Zugehörigkeit zur "katalanischen Kultur" beanspruchen; dabei geht es um die Balearen und um die Region Valencia, wo ein katalanischer Dialekt gesprochen wird. Den souveränen Staat Andorra vereinnahmt die Autonomiebewegung ebenfalls für sich. "(Groß-)Katalonien", dem die Frankfurter Buchmesse unter dem Deckmantel eines "katalanischen Sprachraums" eine internationale Tribüne bot, erstreckt sich demnach über fast die Hälfte der spanischen Mittelmeerküste und reicht bis auf französisches Territorium (Perpignan).

Europäische Partei

Die katalanischen Sezessionisten wurden in Frankfurt vor allem durch Josep Lluís Carod-Rovira vertreten, den Vizepräsidenten der Region Katalonien und Vorsitzenden der Partei Esquerra Republicana de Catalunya (ERC). ERC plädiert ausdrücklich für die Trennung vom spanischen Territorium und ist in einem EU-weiten Bündnis separatistischer Vereinigungen organisiert, der "European Free Alliance" (EFA). EFA gehören Parteien aus 13 EU-Staaten an, darunter die Scottish National Party (Großbritannien), der Partit Occitan (Frankreich) und die Union für Südtirol (Italien). Parteien aus drei weiteren europäischen Ländern sind mit Beobachterstatus in dem 1981 gegründeten Zusammenschluss vertreten, der seit 2004 bei der EU als "Europäische Politische Partei" registriert ist.

Deutsch dominiert

EFA ist im Europäischen Parlament mit mehreren Abgeordneten präsent und bildet dort gemeinsam mit den Grünen Parteien aus der EU eine Fraktion. Eine hervorgehobene Stellung nimmt Bündnis 90/Die Grünen ein. 13 der 42 Fraktionsabgeordneten kommen aus Deutschland. Einer der beiden Fraktionsvorsitzenden ist ein ehemaliger Polit-Gefährte des früheren deutschen Außenministers Fischer. Eine von sechs stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden sowie einer von zwei stellvertretenden Generalsekretären gehören der deutschen Partei an. Bei den Zuständigkeiten für parlamentarische Ausschüsse haben sich die deutschen Abgeordneten sämtliche bedeutenden Posten gesichert (unter anderem Binnenmarkt, Auswärtige Angelegenheiten, Sicherheit und Verteidigung). "Die Fraktion 'Die Grünen/Europäische Freie Allianz' repräsentiert ein Zusammengehen gemeinsamer Prinzipien", verkündet der deutsch dominierte Zusammenschluss. Zu den Grundsätzen der Fraktion gehört auch die Absicht, eine "Europäische Union freier Völker aufbauen" zu wollen.[2]

"Freie Völker"

Die Vorstellungen der "European Free Alliance" (EFA) vom Europa "freier Völker" sind einer Landkarte zu entnehmen, die die Organisation im Internet verbreitet.
Sie ähnelt einem bereits vor mehreren Jahren zu Papier gebrachten Projekt (german-foreign-policy.com berichtete [3]), lässt jedoch Ausweitungen erkennen, die auf einen kontinuierlichen Diskussionsprozess hinweisen. So fällt dem Bemühen, die Länder der EU in Wohngegenden von "Völkern" zu zergliedern, jetzt auch Polen zum Opfer; dort ist für das Gebiet des früheren Schlesien ein Sonderstatus vorgesehen ("Silesia"). Spanien verliert seinen Süden an ein neues Gemeinwesen ("Andalusien"). In den Grundzügen besteht innerhalb von EFA nach wie vor Konsens: Spanien muss "Galizien", "Aragonien" und das "Baskenland" abtreten, Frankreich fast die Hälfte seines Territoriums ("Okzitanien", "Bretagne", "Elsass"). Auch Großbritannien wird zergliedert, Belgien verschwindet gänzlich. Auf spanischem und französischem Hoheitsgebiet entsteht "Groß-Katalonien" (unter Einschluss der Balearen und Andorras).[4] Die Website, auf deren Eingangsportal die Sezessionskarte abgebildet ist, wurde "mit Unterstützung des Europaparlaments finanziert".[5] (Der abgebildete Ausschnitt aus der EFA-Landkarte zeigt unter anderem Katalonien.)

Zum zweiten Mal

Die von EFA ins Auge gefassten umstürzenden Grenzrevisionen gleichen in hohem Maße Planungen, wie sie zuletzt von NS-"Volksgruppen"-Experten entworfen und teilweise umgesetzt wurden. Ihnen fallen sämtliche großen EU-Staaten zum Opfer (Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien, Polen) - mit einer Ausnahme: Deutschland erweitert sein Territorium zum zweiten Mal nach 1989, diesmal um Österreich sowie Teile der Schweiz, Belgiens und Italiens. Würden die Revisionspläne realisiert, wäre der Kampf um die Hegemonie innerhalb der EU endgültig zu Berliner Gunsten entschieden.

Gesamttirol

Aktuelle Aktivitäten bedrohen nicht nur Spanien, Frankreich ("Baskenland") und Großbritannien [6], sondern auch Italien.
Dort sind kürzlich führende Persönlichkeiten aus der EFA-Mitgliedspartei Union für Südtirol ausgetreten und haben eine neue Organisation gegründet: "Südtiroler Freiheit - Freies Bündnis für Tirol". Wie die Vereinigung behauptet, sprechen sich einer Umfrage zufolge 55 Prozent der Einwohner der norditalienischen Provinz Bolzano-Alto Adige für die Sezession von Italien aus - vor allem Menschen unter 30 Jahren.[7] Zudem wünschen sich 54 Prozent der Bevölkerung in den angrenzenden österreichischen Wohngebieten (Nordtirol, Osttirol) eine "Wiedervereinigung Tirols". Die "Südtiroler Freiheit" hat jetzt angekündigt, "auch in Nord- und Ost- Tirol aktiv (zu) werden, um als erste Gesamttiroler Politbewegung das Zusammenwachsen der Tiroler Landesteile voranzutreiben".[8] (Der abgebildete Ausschnitt aus der EFA-Landkarte zeigt Teile des vergrößerten Deutschland, darunter "Südtirol".)

Wünschenswert

Die spanischen Sezessionsbewegungen werden von den norditalienischen Separatisten mit Genugtuung verfolgt. "Südtirol" könne von Katalonien "sehr viel lernen", heißt es in Bolzano ("Bozen"). Auch die Entwicklung in der zweiten prominenten Autonomieregion Spaniens trifft auf Lernbereitschaft. "Die Bewegung SÜD-TIROLER FREIHEIT wird die Unabhängigkeitsbestrebungen des Baskenlandes mit Aufmerksamkeit verfolgen", kündigt die noch junge Organisation an: "Der Weg des Baskenlandes in die staatliche Unabhängigkeit von Spanien ist nur zu begrüßen und für Süd-Tirol wünschenswert."[9] Die europäischen "Volksgruppen" schreiten voran - mit deutscher Unterstützung und in Richtung auf ein deutsch dominiertes Europa.


[1] Carod-Rovira y Antich apoyan en Fráncfort integrar la cultura valenciana en la catalana; lasprovincias.es 11.10.2007. S. auch Sprachenkampf
[2] Wer wir sind; www.greens-efa.org
[4] www.e-f-a.org. Die vollständige Landkarte erhält man durch Klick auf den Kartenausschnitt auf der Eingangsseite.
[5] "Financed with the support of the European Parliament"; www.e-f-a.org
[6] Dort werden vor allem in den schottischen Landesteilen Sezessionsforderungen laut.
[7], [8] Gesamttiroler Bewegung: SÜD-TIROLER FREIHEIT nun auch in Nord- und Ost-Tirol aktiv; www.suedtiroler-freiheit.com/content/view/191/1/
[9] Basken auf dem Weg in die Unabhängigkeit! Und Süd-Tirol?; www.suedtiroler-freiheit.com/content/view/174/38/